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Manfred Kruse

Meine Schwiegereltern

Aktualisiert: 12. Feb. 2021

Auszug (teilweise anonymisiert) aus meinem nachstehend selbst verfassten Buch (Kapitel 3.16 Renates Elternhaus) -1970er Jahre-:

"Chronik meiner Großeltern, Eltern, meiner Kindheit und Jugend sowie meiner eigenen Familie" ( © 2008)

Renates Elternhaus lag am Stadtrand. Renates Vater Richard hat als Fabrikarbeiter in der Produktion im Schichtbetrieb gearbeitet. Renates Eltern besaßen kein Auto, Richard hatte auch keinen Führerschein. Richard ist mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren. Renates Mutter Hildegard war Hausfrau. Außer Renates Schwestern lebte noch Renates Opa Franz (Richards Vater) im Haushalt. Etwa zwei Jahre später zog noch Tante Anna (Hildegards Tante) ein. Hildegard fuhr mit dem Fahrrad zum Einkaufen mit einer großen Einkaufstasche.

Richard bewirtschaftete einen großen Nutzgarten hinter seinem Haus, wo er Kartoffeln, Bohnen, Spargel, Mohrrüben, Erdbeeren, Petersilie, etc. anbaute. Außerdem besaß er Obstbäume (Apfel, Kirsche, Pflaume). Hildegard konnte für die Küche sehr viel aus Richards Garten entnehmen und brauchte nur noch Brot, Wurst, Käse, Mehl, Zucker, etc. kaufen. Der Überschuss aus Richards Garten wurde an Kollegen und Bekannte verkauft. Richard hielt Kaninchen, die er schlachtete und Hildegard zum Braten gab oder verkaufte. Hildegard hat Marmelade selber hergestellt und Obst bzw. Gemüse in Einmachgläsern eingeweckt, damit sie lange haltbar sind.

Renates Eltern waren also teilweise noch Selbstversorger wie ihre Vorfahren in Schlesien. Hildegard und Richard waren altmodisch in ihren Ansichten und in ihrer Lebensweise. Hildegard war genauso häuslich wie meine Mutter und hatte ebenfalls keine eigenen Interessen außerhalb ihrer Ehe. Sie lief ständig mit einer Kittelschürze herum. Richard ist meistens in Arbeitskleidung herumgelaufen, weil er zu Hause überwiegend auf dem Land war. Seine Hände waren schwielig von der Arbeit. Er hatte wegen der körperlichen Schwerarbeit großen Hunger und hat sich beim Abendbrot vom Brotlaib mit dem Messer die Brotscheiben daumendick abgeschnitten.

Das Haus wurde mit Kohleöfen in den einzelnen Zimmern geheizt. Später dann hat Richard eine Zentralheizung einbauen lassen mit einer Therme, die mit Erdgas funktionierte. Wenn man Renates Elternhaus betrat, kam man in einen langen Flur. Direkt rechts kam man ins Wohnzimmer. Eine Tür weiter rechts ging es in einen Wirtschaftsraum, von dem man wiederum in das Zimmer von Opa Franz gelangte. Direkt links nach der Haustür ging es ins Schlafzimmer. Eine Tür weiter links war das gemeinsame Zimmer von Renates Schwestern. Unter diesem Kinderzimmer führte, verdeckt durch eine Holzklappe, eine Stiege herunter in ein Kellerloch, wo Getränkekästen standen. Eine Tür weiter links ging es in die Küche mit Gasherd und einem Beistellherd, auf dem man mit Holz oder Kohle kochen konnte. Von der Küche aus kam man in die Waschküche, wo ein Spülbecken aus Stein für den Abwasch vorhanden war. Es gab aber nur kaltes Leitungswasser. Zum Abwasch hat Hildegard Wasser in einem großen Topf auf dem Kohlenherd erhitzt.

Renates Elternhaus war etwa 100 Jahre alt. Hinter dem alten Haus befand sich ein neuer Anbau mit Badezimmer, Renates Zimmer und Toilette. Ein Zimmer war noch nicht ausgebaut und befand sich noch im Rohbau. Bevor der Anbau gebaut wurde, befand sich dort ein angebauter Stall mit Plumps-Klosett, der dann abgerissen wurde. Der Anbau besaß damals noch ein Flachdach. Im vorherigen Stall hat Richard zuerst noch Schweine und Enten gehalten.

Als Tante Anna dann einzog, wurde das Zimmer nebenan ausgebaut und Renate ist dort eingezogen. Tante Anna bewohnte dann Renates ehemalige Zimmer von dem noch eine Miniküche abzweigte. Richard hat den Anbau von einem befreundeten Maurer machen lassen. Die Elektroinstallation in Renates Elternhaus war total veraltet und noch sichtbar auf Putz verlegt. Ich habe aus einem in der Nähe liegenden Elektrogeschäft IMPU-Stegleitung und Installationsmaterial besorgt und auf Wunsch von Richard die Elektroinstallation im Wohnzimmer modernisiert und die Leitungen unter Putz verlegt. Ich habe mit Richard auch Renates Zimmer neu tapeziert, und zwar Decke und Wände. Wir beide haben die ganze Nacht durchgearbeitet.

Nach einiger Zeit hat Richard anstelle der alten zugigen Fenster mit einfacher Glasscheibe Isolierglasfenster einbauen lassen. Im Wohnzimmer und im Flur hat er die Zimmerdecken mit Holz verkleidet. Die Hausfassade hat er grün angestrichen. Damals durfte man bei Richard im Wohnzimmer rauchen. Wenn Besuch kam, hat er Becks Bier und Weinbrand aus dem Keller geholt. Den Besuch hat er jedes Mal durch seinen Nutzgarten geführt und alles erklärt. Die Möbel in Renates Elternhaus waren auch völlig unmodern geworden. Die Möbel sollten nach Möglichkeit das ganze Leben halten und wurden geschont. Das Sofa hatte Hildegard mit einer Wolldecke abgedeckt, damit der Bezug nicht so schnell abnutzt. In der Küche stand noch ein altmodischer Küchenschrank.

Hildegard hatte noch Opa Franz und Tante Anna zu versorgen. Hildegard hat für Franz immer Brotsuppe hergerichtet mit Petersilie und anderen Gartenkräutern. Tante Anna hat die ersten Jahre noch für sich selber gekocht in ihrer kleinen Miniküche. Hildegard und Richard sind ihr ganzes Leben nie in Urlaub gefahren und haben nie in einem Hotel übernachtet. Sie sind nie ausgegangen. Sie sind nie aus ihrem Wohnort herausgekommen, es sei denn, sie haben ihre Verwandtschaft in der DDR (Deutsche Demokratische Republik) besucht. Sie sind ihr ganzes Leben jeden Sonntag in die Kirche gegangen, da sie sehr gläubig waren. Richard hat vor dem Mittagessen immer das Tischgebet gesprochen. Die Straße, an der Renates Elternhaus lag, war damals noch nicht ausgebaut und hatte keine Bürgersteige sondern beidseitig unbefestigte Sandstreifen. Jahre später musste Richard etwa zwei Meter Vorgarten abgeben, als die Straße mit beidseitigen Fuß- und Radwegen großzügig verbreitert wurde.

Richards Grundstück hatte schätzungsweise 4000 Quadratmeter. Später hat er hinten noch etwa 1500 Quadratmeter Wiese dazu gekauft. Auf dieser Wiese hat er Heu für seine Kaninchen gemacht. Das Heu hat Richard in einem riesigen Sack auf dem Rücken die Stiege hoch auf den Dachboden des Hauses getragen. Dieser Dachboden war nicht ausgebaut und diente nur als Speicher. Hildegard hat noch ihre Bekleidung und die von Richard geflickt oder gestopft, wenn Löcher drin waren. Es wurde nichts weggeworfen. Den Müll aus Papier und Pappe haben sie im Beistellherd in der Küche verfeuert. Einmal hat sich Richard von seiner Firma ein ganzes Lastauto mit gebrauchten Holzpaletten bringen lassen. Dieses Holz hat er in den darauffolgenden Wochen mit der Axt zerkleinert, um Brennholz für die Kohleöfen zu haben. Hildegard und Richard haben selber sehr sparsam und äußerst bescheiden gelebt und ihre Kinder finanziell unterstützt.

Wenn ich Renate sonntags besucht habe, habe ich mit Richard und Opa Franz oft Skat gespielt mit altdeutschen Karten. Die französischen Skatkarten kannte Franz nämlich nicht. Franz war früher Selbstversorger und Holzfäller in Schlesien gewesen. Franz brachte zum Kartenspielen aus seinem Zimmer immer ein altes Marmeladenglas mit, welches mit Münzen (Pfennige, Groschen) gefüllt war. Wir haben um ein Zehntel Pfennig gespielt.


Richard und Hildegard waren geradlinige, einfache, herzensgute Menschen, die für ihre Angehörigen stets da waren. Sie haben sich nicht verbiegen lassen. Und auch nicht die modischen Neuerungen der modernen Zeit mitgemacht. Sie pflegten noch einen Lebensstil der 30er bis 50er Jahre, als die meisten Leute auf dem Lande Selbstversorger waren.



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