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Gedichte (2) meines Vaters Georg Kruse (1915-1998). Baiersdorf

Diese Gedichte wurden von meinem Vater in Kriegsgefangenschaft im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) verfasst.

Kruse Edewecht

Middleton v. 13.9.1946

 

Urlaub im Heimatdorf

Ich lag im Urlaub unter dem Walnussbaum,
war versunken tief im Traum.
Eine Nachtigall sang am Waldessaum,
musizierende Töne drangen aus dem Raum.

Doch plötzlich wurde ich vom Schlaf erwacht,
vom Schwesterlein, dass mir ein Brieflein gebracht.
Von meiner Feinstliebchen aus der Garnison,
das mich wusste in Urlaub schon.

Die Bienen summten in den Blüten, die so rein
trugen emsig ihren Honig heim.
Ich dachte für mich so ganz allein.
Die Kinderlein kamen vom Schulgang heim.

Manche waren mir schon worden fremd
da ich so lange von der Heimat getrennt.
Nur in den Gesichtern, da stand ihnen geschrieben,
von wo sie zu Hause, wo ihre Lieben.

Doch die Alten, die ja mich als Junge gekannt,
mit denen ich im Urlaub manches Bierlein trank,
denen habe ich mich stets zugewandt.
Oft zogen wir mit Gesang die Dorfstraße entlang,
wenn die Sonne schon längst im Abendrot versank.


Wir haben manchen Polterabend mitgemacht
hier und da ein Ständchen gebracht.
Für das uns hübsch ein Schnäpschen bedacht,
so hatten wir uns mal richtig wieder ausgelacht.

Zu Silvester haben wir stets gesungen
mit unseren plattdeutschen Bauernjungen.
War der Gesang recht gut uns gelungen,
dann machten die Dörfler die Türen auf.

Drum wurde gewünscht ein glückliches neues Jahr,
eingeschenkt der Sängerschar.
Die Alten waren es von den Uralten gewohnt
drum wurden wir stets reich belohnt.

Oftmals haben wir bei den Mädchen gefenstert,
ja, überall haben wir herumgegängstert.
Oft wurden wir von den Alten mit Worten belästert.
Wir waren zu allen Streichen bereit,
o, herrliche, sonnige Burschenzeit!

Wir haben geboßelt die Straße entlang,
mit Jungen, die waren uns altbekannt.
Geworfen wurde um eine Runde Bier,
doch zeigte die Uhr schon über vier.
Die Vesperzeit, die war vorbei,
dann ging es um eine Pfanne mit Spiegelei.

Wenn der Abend genaht, dunkel der Pfad
dann begannen wir das Besenwerfen
dann mussten lachen, selbst die alten Herzen.
Ja, manchmal war die Stimmung so,
dass jeder hielt das Leben froh.
Wir im Dorf den Tanz verpasst
weil zu tief in den Becher gebascht.

Gleich hinter mir, gleich in der Näh,
stand trotzig die alte Eiche. In ihren Ästen bin ich als Kind
herumgeklettert von Ast zu Ast.
Leicht zärtlich gewiegt vom Wind,
bis ich den höchsten Gipfel erhascht,
dann machte ich oben in Seelenruhe Rast.

Die Mutter stand unten, sorgengefüllt.
Ich wurde von der schattigen Krone verhüllt.
Dann spähte ich runter bis zum Horizont,
zählte alle Kirchtürme und Windmühlen, die mir bekannt.
Maß die Zahl, die mir der Großvater genannt,
doch eine Mühle fehlte in der stattlichen Reih,
da der Wind ihr die Flügel gerissen im Sturmgeschrei.
Von unten rauf hörte ich der Schnitter Gesang,
wie sie mit klirrender Sense mit den letzten Halmen rang.
Ja, ein blondes Mädel, die war in der Schar,
trug ein blaues Kopftuch im goldenen Haar.

Nun wurde sie gerade über den Hock gezaust
von stämmigen Männern, mit festschwieliger Faust.
War sie geworfen, dreimal hin- und zurück,
dann war die junge Schnitterin hochbeglückt.
Rückte eine Flasche Schnaps heraus,
das war die Sitte, nach altem Brauch.
Und abends gab`s einen Festtagsschmaus.

Eine Pfingsttour machten wir mit dem Turnverein
zur Deutschen Eiche war alles vereint.
Ob Alt oder Jung, es machte das Herz bei allen gesund.

 

gedichtet von meinem Vater Georg Kruse 1946 in Kriegsgefangenschaft

 

© 2015  Manfred Kruse, Baiersdorf

Osterscheps, 10. Febr. 1948

Heimweh!

Der schwarzen Wimpern schatt`ges Bangen
verrät die Spur der heißen Träume.
Die über roterglühten Wangen
des braunes Haar`s gelockte Strähne.

Ein Seufzer, der von Heimweh tief
der pochenden Brust entwunden.
Als sei`s die Stimme die Mutter rief 
wie jüngst im Traum ersonnen.

Ja, in weichen Federdaunen
streichelt zärtlich eine Hand.
Schmiegt sich an mit rosig Laune
als sei nichts geschehen dann.

Ach! Heimweh! Wenn es heimlich rührt
der Mutterliebe ewger Wert.
Als gäb`s kein Weg der heimwärts führt
zum goldenen Vlies am Heimatherd.

Ja, des Lebens goldnen Stiege
der wir, dem Sattel längst enthoben
im Rinnsal dieses Zeitgewiege
das von der Zukunft schwarz umwogen.

Kein Wort so wahr, kein Spruch so teuer
so liebesam wie Liebesfeuer
das emsig flammt mit Seelenglück.
Bis grau meliert, schlohweiss dein Haar
dann freut man sich der Jugend Mut
das im Gelöbnis < Treue > war.

Tragen wird dich diese Treu
aus üblen Tagen, bösen Groll.
Ja, tapfer, mutig ohne Scheu
wenn ein Opfer fordert Zoll.

Denn diese Zeit, die gegenwärtig,
wo Anmut, Not und Seelenpein
sie schwächt den Stärksten hinterhältig
sei äusserlich auch froher Schein.

Ja, das Gefühl es mahnt zur Pflicht
im echten Glauben tief ergründet,
ist es der Liebe edelste Schicht
die in ihr die Ruhe findet.

Wer vom Leben viel erträumt
wo böse Kriege, Hader, Neid,
der ist des Schicksals guter Freund
dem ewig eine Sonne scheint.

 

gedichtet von meinem Vater Georg Kruse 1948 in Osterscheps

 

© 2015  Manfred Kruse, Baiersdorf

 

Middleton, den 30.10.46

 

Meinem lieben Vater

 

Oft höre ich Deine sicheren Schritte

Kinderlieb in unserer Mitte.

Dein Blick mit Liebe und Mut verwandt

Führst die Familie mit fester Hand.

 

Wußtest stets die Not zu meistern,

Wenn Schicksalsgeplagt, mit bösen Geistern.

Bei Dir galt das gesprochene Wort

Pflichtbewusst im Familienboot.

 

Wenn geschaukelt das Familienboot

Warst Du der Erretter in der Not.

Mit schwieliger Hand die Arbeit verrichtet,

Dein Sinn auf das Gedeihen der Kinder gerichtet.

 

Kein Feierabend gab es für Dich

Vom Schweiß errötet Dein Angesicht.

Der Verdienst reichte nicht immer aus

Für Sonntags gab einen besonderen Schmaus.

 

Freudenbeseelt mit frischem Humor

Dein Lachen drang aus innerem Herzen hervor.

Für jedes Kind ein lachendes Wort

So warst Du beliebt allerorts.

 

Deine Mühe, das Wohlergehen der Kinder

Wo Reichtum herrscht, die Sorgen minder.

Hast verdient mit gerechter Händearbeit

Kein Murren, kein Klagen, zum Geben bereit.

 

Hast mir gerichtet den Lebenspfad

Gerne bin ich gefolgt Deinem Rat.

Heute weiß ich zu schätzen noch mehr

Die Welt bereist übers blaue Meer.

 

Im Alter sei Dir dafür der Lohn

Ich fühle mich verpflichtet als Sohn

Drum sei aller Sorgen befreit

Dein jüngster Sohn gibt Dir Geleit.

 

gedichtet von meinem Vater Georg Kruse 1946 in Kriegsgefangenschaft

 

© 2015  Manfred Kruse, Baiersdorf

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