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AutorenbildManfred Kruse

Die gute alte Zeit


"Die gute alte Zeit“, die in aller Munde ist, hat es in Wirklichkeit nie gegeben. Was besser war als heute, sind der Zusammenhalt und die Solidarität der Menschen untereinander. Bis auf die Oberschicht hatten alle Menschen gleich wenig an Besitz. Das Dasein war äußerst hart und entbehrungsreich, aber die Leute hatten trotzdem auch Spaß und wussten zu feiern. Die Form der Großfamilie war das Standard-Lebensmodell, in denen neben den Kindern auch die Großeltern unter einem Dach lebten. Sozialversicherungen gab es nicht. Die Kranken und Nichtarbeitsfähigen wurden in der Großfamilie versorgt bzw. gepflegt.

Was ist es also, dass den Reiz an der Vergangenheit „anno dazumal“ ausmacht? Wahrscheinlich sind es die damals überschaubaren Strukturen im Alltag im krassen Gegensatz zu heute, wo der einzelne Mensch leicht den Überblick verliert in einer auf Profit und Konsum orientierten Gesellschaft. Damals war das Leben äußerst schlicht, ja primitiv, und die Menschen haben direkt eine Rückmeldung über ihre Arbeit bekommen. Bei der meist manuellen Arbeit war das persönliche Arbeitsergebnis sofort erkennbar. Man hat am Abend gesehen, was man den Tag über geschafft hatte.

Insofern hatte man eher ein Erfolgserlebnis, wenn das Arbeitsergebnis gut war. Heute hingegen haben viele Menschen keinen Einblick auf ihren persönlichen Arbeitsanteil am Gesamtprojekt, sei es nun in der Fabrik oder im Büro. Die Tätigkeitsfelder der Arbeitnehmer sind jeweils so spezialisiert und voneinander abgegrenzt, dass der Gesamtüberblick über das Projekt verloren geht. Insofern gibt es keine direkt gekoppelte Rückmeldung über den persönlichen Erfolg an dem Gelingen des Gesamtprojektes mehr, was auf die Dauer die Menschen frustriert.

Außerdem müssen in der heutigen Arbeitswelt immer weniger Leute immer mehr schaffen, was den Stress zusätzlich erhöht. Anno dazumal war die Arbeit meist körperlich hart, und die Menschen waren nach ihrem Arbeitsleben oft ausgemergelt und körperlich ausgezerrt. Viele haben sich krumm gearbeitet vom vielen Bücken auf Acker und Feld. Die Lebenserwartung war dementsprechend gering. Heute hingegen ist es mehr die nervliche Belastung der Arbeitsnehmer, die zu Stress führt.

Es ist wohl festzustellen, dass die Menschen in der Not eher zusammenhalten und füreinander da sind, als in materiell besseren Zeiten. Mit zunehmendem Wohlstand wächst auch der Egoismus des einzelnen Menschen. Das sich Kümmern um Kranke und Behinderte wird eher der Fürsorge durch den Staat überlassen und der entsprechenden Gesetzgebung.

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